Ganz schön BIG!

Das neue Headquarter von Ausnahmearchitekt Bjarke Ingels lebt Nachhaltigkeit im ganz großen Stil – und zieht die Kopenhagener*innen in ihrer Freizeit an.

Als Bjarke Ingels erstmals die Idee für CopenHill – heute eines seiner berühmtesten Projekte – vorstellte, blickte er in leere Gesichter. Ein Müllheizkraftwerk mit einer Skipiste auf dem Dach? Sollte das ein Scherz sein?! Der Architekt selbst hielt die Idee keineswegs für einen Witz. Er argumentierte, dass ein Kraftwerk, das Energie aus Müll erzeugt, nicht nur ein funktionales Gebäude sein müsse – sondern auch einen Mehrwert für die Stadt bieten solle. Und tatsächlich: Heute versorgt die Verbrennungsanlage jährlich aus 400.000 Tonnen Müll ungefähr 160.000 Haushalte mit Fernwärme und 62.500 Häuser mit elektrischer Energie. Auf dem Dach entstand plangemäß eine künstliche Skipiste – und an der Außenwand die mit 85 Metern weltweit höchste Kletterwand.

Ein neues Zuhause für BIG
Als BIG – also die Bjarke Ingels Group – nun den Bau des eigenen Headquarters plante, war klar: Mit einem hübschen Bürogebäude würde sich der visionäre Chef nicht zufrieden geben. Der im Frühjahr 2024 fertiggestellte 4.488 Quadratmeter große Bau am Ende der Sundmolen im Nordhavn von Kopenhagen vereint Büroflächen für rund 300 Mitarbeiter*innen mit einer öffentlichen Parkanlage – und ganz Kopenhagen ist eingeladen sie zu nutzen.

Das siebengeschossige Gebäude ist das aktuellste Beispiel für BIGs LEAPP-Ansatz, der eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Landschaftsplanung, Ingenieurwesen, Architektur, Produktdesign und Stadtplanung vorsieht. Ausgestattet mit Geothermie- und Solarsystemen deckt das Gebäude 60 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen. Passivstrategien wie natürliche Belüftung ermöglichen es 84 Prozent des Heizbedarfs und 100 Prozent des Kühlbedarfs zu decken.

Pionierarbeit mit Uni-Green-Beton
Ebenfalls groß: Das Gebäude wurde aus Uni-Green-Beton gefertigt. Durch den Ersatz eines Teils des Zementklinkers mit kalziniertem Ton und Kalkfüllstoff reduzieren sich die CO2-Emissionen um etwa 25 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Beton. Die Konstruktion demonstriert nicht nur die Haltbarkeit dieses Materials, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten für dessen Einsatz in der Bauindustrie.

„Die Architektur des Gebäudes spiegelt die Essenz von LEAPP wider“, erklärt Bjarke Ingels seinen neuen Wurf. Der Bau beeindruckt mit einer einzigen tragenden Steinsäule aus sechs Gesteinsarten, die sich über alle Etagen zieht und als zentrales Element der offenen Gestaltung dient. Eine außen umlaufende, 140 Meter lange Treppe verbindet alle Ebenen und fungiert zugleich als Fluchtweg, was das Innere von traditionellen Kernen befreit und großzügige Arbeitsbereiche schafft.

Vom Parkplatz zum Küstenpark
Am Fuß des Gebäudes hat BIG eine ehemalige Parkfläche in einen 1.500 Quadratmeter großen öffentlichen Park verwandelt. Inspiriert von den dänischen Küstenlandschaften bietet er Raum für Erholung, Freizeit und Naturerlebnis. Nördlich schützen einheimische Bäume wie Kiefern und Eichen vor Wind, während im Süden bepflanzte Flächen und Skulpturen Lebensräume für die Biodiversität schaffen. Eine Installation des Künstlers Benjamin Langholz – eine spiralförmige Anordnung von 40 Steinen – lädt Besucher*innen aller Altersgruppen zum Erkunden ein.

Auf den Terrassen und der Dachfläche setzt sich die Verbindung von Natur und Architektur fort. Mit lokalem Holz und windresistenten Pflanzen gestaltet, dient die Dachterrasse als Kräutergarten für die Kantine und bietet einen Panoramablick auf die Stadt und das Wasser.

Visionär und funktional
„Das Projekt zeigt, wie wir das Erbe der industriellen Hafenlandschaft mit den Elementen der dänischen Küste verbinden können“, sagt Giulia Frittoli, Partnerin und Leiterin von BIG Landscape. Durch die innovative Materialwahl und Energieeffizienz stellt das Headquarter einen Meilenstein für nachhaltiges Bauen dar – und ein Modell für zukünftige Planer*innen. Und das Schöne: Innen wird fleißig an weitern visionären Ideen gearbeitet, die die Symbiose aus urbanem Raum und Natur vorleben.