„Stärkt die Klimaresilienz!“
Der Klimawandel ist eine gigantische Aufgabe – auch für die Baubranche. Aber wie können unsere Städte und Dörfer sozial und ökologisch verträglich (um)gebaut werden? Architects4future haben Antworten.
Wie stellen Sie sich die Stadt von morgen vor, wenn wir es schaffen, konsequent klimagerecht und resilient zu bauen?
Wie stellen uns die Stadt von morgen als ökologisch, sozial gerecht und klimaneutral vor. Im Fokus stehen nachhaltige Bauweisen und eine Kreislaufwirtschaft, in der Gebäude ressourcenschonend geplant, gebaut und recycelt werden. Städte sollen durchgrünte Quartiere, Gemeinschaftsflächen und autofreie Zonen bieten, die soziale Interaktion fördern. Zudem fordern wir eine partizipative Planung, bei der Bürger*innen aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Ziel ist eine lebenswerte, ressourcenschonende und zukunftssichere Stadt, die den Bedürfnissen aller gerecht wird.
Architects4future fordern „Stärkt die Klimaresilienz!“ Wie können die baulichen Strukturen sozial und ökologisch verträglich (um)gebaut werden?
Klimaresilienz ist eines unserer zentralen Themen: Begrünte Dächer, Schwammstadt-Konzepte und natürliche Kühlung durch Wasser- und Grünflächen mindern die Folgen von Hitzewellen und Starkregen. Erneuerbare Energien und energieeffiziente Gebäude sorgen für eine klimaneutrale Versorgung. Wir müssen Städte nach dem Schwammstadtprinzip umbauen, also eine blaugrüne Infrastruktur schaffen. Die Bepflanzung trägt zur Ökologie bei und dadurch, dass die Stadt abkühlt, wird auch ein großer Beitrag zu sozialen Belangen geleistet. Gerade Menschen mit kleineren Einkommen haben Wohnungen in stark überhitzten Stadtteilen und leiden am meisten unter den Hitzewellen.
Welche Maßnahmen braucht es?
Mehr Versickerung in vielen grünen Oasen puffert den Abfluss von Regenwasser und regeneriert das Grundwasser. Um solche Orte erlebbar und vielfältig nutzbar zu machen, brauchen wir veränderte Rahmenbedingungen: Heutzutage müssen Abwasseranlagen abgesperrt werden. Nur wenn wir das Wasser und das Mikroklima in unseren Siedlungen konsequent zum Thema machen, entstehen die multikodierten Flächen, von denen alle – aber insbesondere Menschen ohne eigenen Freibereich – profitieren können.
Wie kann Bauen auch soziale Herausforderungen lösen?
Insbesondere in den Metropolen, in denen sowohl Bauland als auch bezahlbare Wohnungen Mangelware sind, werden wir nur dann sozial, wenn verstärkt in den sozialen Wohnungsbau und in sogenannte kollaborative Wohnformen investiert wird. Besonders betroffen sind junge Familien und ältere Menschen. Ältere Menschen leben fast doppelt so häufig allein wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Als Vorbild dient hierzu etwa das innovative Stadtquartier mit einer sozialen Nutzungsmischung, in dem in 15 Minuten Einkaufsmöglichkeiten, Gesundheits-, Bildungs- und Kultureinrichtungen schnell und ohne Auto erreichbar sind. Innovative, sozial gerechtere und nachhaltigere Wohnformen lösen gleichzeitig mehrere Herausforderungen: sie verhindern Vereinzelung, sind flexibel und nachhaltig gebaut und senken den hohen Ressourcen- und Wohnraumbedarf deutlich.
Sind die derzeitigen Baustandards ausreichend, um den Klimazielen gerecht zu werden?
Aus unserer und der Sicht vieler anderer Expert*innen nicht. Unsere zehn Forderungen umfassen daher einen nachhaltigen Wandel in der Baubranche. Einige Firmen haben bereits erkannt, dass wir ohne eine Bauwende nicht zur Klimaneutralität und Ressourcenauskömmlichkeit gelangen werden. Aber es braucht wirtschaftliche Anreize, Förderungen und wo nötig, verbindliche Gesetze – ein “Weiter so” können wir uns nicht leisten.
Welche politischen Maßnahmen und Förderprogramme sind nötig, um klimagerechtes Bauen und eine resiliente Architektur auf breiter Ebene zu ermöglichen?
Die heutige Baupolitik richtet sich vor allem an Neubauvorhaben aus. Der größte Hebel für Klima- und Ressourcenschutz im Bausektor liegt aber darin, den Bestand weiterzunutzen, umzubauen und zu sanieren. Um das zu vereinfachen und zu standardisieren, haben wir Vorschläge für eine Umbauordnung erarbeitet, die breit von Berufs- und Umweltverbänden unterstützt werden. In Niedersachsen und Bremen sind Teile davon bereits umgesetzt, u.a. die Wahrung des Bestandsschutzes bei Umbauten. Das ist ein riesiger Meilenstein. Ergänzend dazu braucht es dringend eine gesetzliche Regelung von Abriss. Aktuell muss dieser in Deutschland nicht genehmigt werden. Das führt dazu, dass im Jahr schätzungsweise über 14.000 Gebäude abgerissen werden. Ein immenser Verlust wertvoller Ressourcen und eine Verschwendung der grauen Energie und Emissionen.
Was würde noch greifen?
Wirksam wäre auch die Einrechnung und faire Einpreisung von CO2 in den Bauprozess und in der Betrachtung von Gebäuden. Dann wären Baustoffe aus nachwachsenden, biobasierten Materialien günstiger als erdölbasierte oder mineralische. Und eine Gebäudestruktur wäre aufgrund der darin gebundenen grauen Emissionen sehr wertvoll – und man käme nicht mehr so schnell auf die Idee abzureißen. Auch Gesetze wie das Kreislaufwirtschafts - und lieferkettengesetz müssen dringend für den Bausektor ergänzt werden.
Wie sollte sich die Baubranche bewegen?
Auch die Baubranche ist sehr auf Neubau und das Bauen mit konventionellen, erdölbasierten, mineralischen Baustoffen fokussiert. Dabei werden Sand und Kies inzwischen knapp, viele Materialien sind nicht mehr so leicht verfügbar oder werden perspektivisch wegen hoher CO2-Preise und Energieaufwände noch teurer. Ähnlich wie bei der Automobilindustrie ist jetzt die Zeit umzudenken, um zu lenken und sich den Anforderungen der Zukunft zu stellen. In der Kreislaufwirtschaft, im Umbauen und ökologisch energetischen Sanieren sowie im klimagerechten Gestalten unserer Städte und Dörfer liegt viel wirtschaftliches Potenzial.