Plus-Energie in Serie
Nachhaltigkeit ist für den Architekten Werner Sobek ein Lebensthema. In Stuttgart errichtete er nun das Plus-Energie-Quartier P18 – auf Basis seriell gefertigter Aktivhaus-Module.
Werner Sobek hat schon immer radikal gedacht. Vor allem, wenn es um die Umwelt geht. Ende der 1990er-Jahre – als sich das Wort Nachhaltigkeit noch nicht im kollektiven Wortschatz befand – sorgte sein Wohnhaus für Furore. R128 heißt das würfelförmige, viergeschossige Gebäude, das auf allen Seiten vollständig verglast ist. Steht man davor, kann man an Sofas und Einrichtung vorbei durch die Glaswände hindurch den dahinter liegenden Stuttgarter Talkessel sehen. So exponiert zu wohnen ist sicherlich extrem – und dürfte sich gleichzeitig gut anfühlen. Denn das modular aufgebaute Haus ist ein vollkommen rezyklierbares und im Betrieb emissionsfreies Nullheizenergie-Gebäude.
Sobek jedenfalls ist auch Jahrzehnte später noch in der Mission grünes Bauen unterwegs. Mit dem nachhaltigen Plus-Energie-Quartier P18 in Stuttgart-Bad Cannstatt hat er nun das serielle Bauen neu gedacht. Im Prießnitzweg 18 entstanden sechs in Holzmodulbauweise errichtete Gebäude mit 330 Wohnungen, die sowohl architektonisch als auch ökologisch beeindrucken.
Wohnen im Einklang mit der Natur
Die Leitidee des Quartiers war es, Wohnraum für die Mitarbeitenden des Klinikums Stuttgart zu schaffen. Das Ergebnis: Ein autofreies, grün durchzogenes Ensemble mit einer Bruttogeschossfläche von 24.478 Quadratmetern, das hohen ökologischen Standards entspricht. Jedes der vier- bis fünfgeschossigen Gebäude wurde aus Holzmodulen errichtet, die im Werk gefertigt und auf der Baustelle präzise zusammengesetzt wurden. Der Vorteil dieser seriellen Bauweise ist nicht nur die außergewöhnlich kurze Bauzeit – der erste Abschnitt wurde in nur sechs Monaten fertiggestellt –, sondern auch die Ressourcenschonung und die Reduktion von Baustellenemissionen.
Die Architektur selbst zeigt sich durchdacht und harmonisch. Große, bodentiefe Fenster sorgen für viel Tageslicht und natürliche Belüftung, während Balkone und Terrassen die Verbindung zum Außenraum schaffen. Die Fassaden aus vorvergrautem Lärchenholz strahlen eine angenehme Behaglichkeit aus und fügen sich balanciert in die Umgebung ein. Über einen Fußweg gelangen die Bewohner*innen direkt zum nahegelegenen Galgenberg, der als Naherholungsgebiet dient.
Nachhaltigkeit in Serie
Das Konzept des modularen Bauens prägt nicht nur die Ästhetik von P18, sondern auch seine ökologische Performance. Die Holzständerbauweise der Module minimiert das Gewicht der Gebäude und reduziert damit den Ressourcenverbrauch – etwa beim Bau von Tiefgaragen. Gleichzeitig ermöglicht die Bauweise einen sortenreinen Rückbau nach dem Prinzip „Design for Disassembly“: Am Ende ihres Lebenszyklus können die Module in biologische oder technische Kreisläufe zurückgeführt werden.
Die Vorfertigung der Module bringt weitere Vorteile: Weniger Abfall, eine konsistente Qualitätssicherung und reduzierte Lärm- und Staubbelastungen auf der Baustelle. Der reguläre Betrieb des angrenzenden Klinikums blieb während der Bauphase weitgehend unbeeinträchtigt – ein Vorteil, der bei herkömmlicher Bauweise kaum zu erreichen gewesen wäre.
Ein Plus für die Umwelt
P18 erfüllt den KfW 40 Plus Standard und erzeugt mehr Energie als es selbst benötigt. Auf den Dächern aller Gebäude sorgen Solar-Hybridkollektoren für die gleichzeitige Gewinnung von Strom und Wärme. Ergänzt wird dieses System durch fassadenintegrierte Photovoltaikmodule an den Südfassaden. Batteriespeicher erhöhen die Autarkie des Quartiers, indem sie überschüssige Energie speichern und bei Bedarf wieder abgeben. Für die Wärmeversorgung kommen Sole-Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz, die durch zusätzliche Wärmerückgewinnung aus der Abluft ergänzt werden. Die Energieverluste sind dadurch minimal.
Werner Sobek beweist mit dem Projekt, dass Geschwindigkeit und Qualität im Bauwesen sich nicht ausschließen müssen – und dass ökologische Verantwortung und gestalterische Ambition sehr gut Hand in Hand gehen können.