Wohnen im Legokasten

Schnell bezahlbaren Wohnraum schaffen – das möchten viele deutsche Städte. Eine Antwort darauf lautet: serielles und modulares Bauen.

Wieviel Perspektive solche Lösungen versprechen, zeigen auch die Bemühungen seitens der Politik. Anfang 2023 starteten das Bundesbauministerium, der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ein europaweites Ausschreibungsverfahren für zukunftsweisende Konzepte des seriellen und modularen Wohnungsbaus. Das Ziel: Bis Herbst 2023 soll die neue Rahmenvereinbarung „Serielles und modulares Bauen 2.0“ geschaffen werden.

Architekturbüros wie das renommierte Amsterdamer UN Studio sind schon einen Schritt weiter. Im letzten Jahr hat das Team rund um den Ausnahmearchitekten Ben van Berkel den Wettbewerb um das Düsseldorfer „Mixed-Use-Hochhaus“ Belsenpark gewonnen. Besonderes Augenmerk wird bei diesem Entwurf auf eine gemischte Nutzung und Modularität gelegt. Durch die Verwendung von vorgefertigten Bauteilen in der Konstruktion und einem modularen Ansatz bei Tragstruktur, Fassade und Haustechnik sollen Prozesse vereinfacht werden. Sowohl das Tragwerk als auch die Fassadengestaltung folgen einem strengen Raster, was eine zusätzliche Flexibilität bei der Erweiterung und der Fassadengestaltung bietet. Während die tragenden Teile der Flachbauten aus Holz geplant sind, wird der Turm aus vorgefertigtem Recyclingbeton und CO2-reduziertem Zement errichtet werden. Die Vorfertigung von Bauteilen im Werk bringt im Vergleich zum herkömmlichen Wohnungsbau nicht nur einen Zeitgewinn, sondern auch eine höhere Planungssicherheit, exaktere Kalkulierbarkeit und damit eine Reduktion von Kosten mit sich.

Das Londoner Studio Bark hat mit U-Build ein Stecksystem für kleiner dimensionierte Bauvorhaben entwickelt, das nach dem Prinzip der zirkulären Ökonomie funktioniert. Das Herzstück ist ein Bausatz aus flachen Holzbausteinen oder „Boxen“, die sich dank speziell entwickelter Verbindungen miteinander verketten und in einer unendlichen Anzahl von Konfigurationen zusammensetzen lassen. Je nach Bedarf entstehen so Gartenhäuschen, Anbauten oder tatsächliche Wohnhäuser. Bei der Umsetzung nutzt U-Build eine intelligente Datenverarbeitung, sodass Architekt*innen, Bauherr*innen und Privatpersonen komplexe Strukturen mit den standardisierten Teilen selbst entwerfen und herstellen können. Bei Bedarf werden die Komponenten von britischen Herstellern produziert, bevor sie zur Montage an die jeweiligen Standorte transportiert werden. Da die Entwürfe aber digital sind, können sie auch in die ganze Welt verschickt und von jedem, der über eine computergesteuerte CNC-Maschine verfügt, ausgeschnitten werden. Wer die Teile einmal hat, muss kein Heimwerkerprofi sein – und braucht nur einfache Werkzeuge für den Aufbau.

Konzepte wie diese zeigen: Das Leben und Wohnen der Zukunft ist bunt. Dazu gehören auch Tiny Houses, Ferien-, Gäste- oder schwimmende Häuser in modularer Bauweise. Die „Wikkelhouses“ vom niederländischen Kreativteam Fiction Factory bestehen aus fünf Quadratmeter großen und 1,2 Meter tiefen Segmenten, die ebenfalls erst am Aufstellungsort aufgebaut werden. Dank der modularen Bauweise ist ein Wikkelhouse fast so flexibel wie ein Lego-Bauwerk. Je nach Raumbedarf können so viele Elemente wie gewünscht aneinander gekoppelt und jederzeit auch wieder entkoppelt werden. Die Elemente werden ausschließlich aus nachhaltigen Materialien gefertigt, wobei sie zu 60 Prozent aus Holz bestehen. Den Strom für das Innenleben liefern übrigens Solarzellen auf dem Dach – was die Bewohner*innen einen entscheidenden Schritt näher in Richtung energieneutralem Wohnen bringt. Das Wikkelhouse ist, wie die meisten Ideen rund um serielles und modulares Bauen, ein ganzheitlich nachhaltiges Konzept. Die Zukunft hat begonnen.