They Feed Off Buildings – Architektur als Transformationsprozess

Die Stadt als Ressource? Moderne Architektur, in der die Geschichte aufgeht? Das Berliner Studio TFOB wagt eine radikale Umnutzung urbaner Bau-Abfälle – mit poetischen Ergebnissen.

Die beiden Berliner Designerinnen Luisa Rubisch und Rasa Weber führen das Studio „They Feed Off Buildings“. Schon mit dem latent provokanten Namen und seinem parasitären Anklang geben sie einen Hinweis darauf, worum es bei ihrer Arbeit geht: Um eine neue Perspektive auf die Architektur. Allerdings nicht in Bezug auf das junge Bauwerk, sondern auf den Teil der Stadt, der zum Abriss freigegeben ist. Sie machen das Obsolete als Ressource nutzbar, unterziehen den abgelebten Baustoff einer Verjüngungskur und starten einen Material-Zyklus.

Mit jedem Abriss eines baufälligen Gebäudes entsteht urbaner Abfall. Schutt, der auf Halden landet, alte Ziegel, Mauerreste, Estrich und Beton. Strukturlos nutzlos für die einen, Material mit Potential für Rubisch und Weber. Sie stellen daraus ein neues Plattenmaterial her. Das hat die gefleckte Ästhetik von Terrazzo, nutzt statt Glasstücken und Naturstein-Kieseln aber urbanen Bauschutt. Weber und Rubisch analysieren den Abraum und sortieren Wiederverwertbares aus. Gruppieren nach Farben, sieben, waschen und ordnen nach Größen. Großes Geröll wird zu kleinem zerschlagen und alte Ziegel werden zu Farbpigmenten zerrieben. Dann beginnen sie mit der Komposition ihres innovativen Materials – das sie aufgrund seiner eindeutigen Ästhetik und der weniger edlen Inhaltsstoffe Urban Terrazzo getauft haben. Um dafür nicht immer in ein fest installiertes Labor zu müssen, haben TFOB gleich eine ganze Fertigungsstraße entworfen, die mobil mit auf die Baustelle kommt. Vor Ort entstehen die ersten Testkacheln. Dem Trägermaterial Beton werden die gewonnen Pigmente beigemengt, Kiesel und Geröll als Zuschlag beigegeben. Am Ende wird wie beim klassischen Kunststein die Oberfläche abgeschliffen, um das Muster freizulegen.

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Um auch aus minderwertigem Abrissmaterial einen stabilen Werkstoff zu erzeugen, nutzen TFOB ultrahochfesten Beton als optionales Additiv. Bei der technischen Finalisierung ist auch wichtig, ob der Urban Terrazzo im neuen Gebäude als Bodenbelag, Wandverkleidung oder sogar Mobitektur zum Einsatz kommt. Bei besonders komplexen Einsatzgebieten holt sich das Projektteam Spezialisten aus der technologischen Baustoffforschung zur Seite. Neben der ästhetischen Qualität, die nicht nur vom alten Bestand, sondern auch vom Auftraggeber gesteuert wird, muss das Material am Ende auch statisch überzeugen. Ganz im Sinne einer nachhaltigen Bauweise. Dann kann der Urban Terrazzo als individuell gestaltetes Unikat und als stiller Historiker in das neue Gebäude einziehen.

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Mit ihrem innovativen Recycling-Material orientieren TFOB sich im Grunde auch an der vernakulären Architektur abgelegner Regionen, die nur die Ressourcen nutzen, die sich unmittelbar vor Ort finden. Im urbanen Kontext einer Metropole sind das nicht Lehmziegel und Strohdächer, sondern die Trümmer eines Abrisses. Jedes Gebäude verfügt dabei über eine ganze eigene Material-DNA, die am Ort ihres Kontextes verbleibt und einem neuen Gebäude zugeführt wird. Poetisch betrachtet wird mit dem neuen Material Geschichte fortgeschrieben, indem das Alte direkt im Neuen aufgeht. Ihre Vision beschreiben die beiden Designerinnen selbst als logische Konsequenz in einer sich ihrer Ressourcen bewusster werdenden Gesellschaft: „Architektur erscheint uns oftmals als etwas Finales. Etwas, das erhalten wird, manchmal renoviert und irgendwann abgerissen. Und so ist auch das Konzept eines Hauses – stabil. Unser Architekturverständnis ist nicht nachhaltig – es ist metabolisch. Wir möchten Materialien schaffen, die in der Lage sind, sich selbst zu verdauen. Sie eröffnen uns die Möglichkeit der Neuschöpfung.“

Die Sonderschauen der BAU 2019 setzen vor allem auf das Thema Nachhaltigkeit. Globale Herausforderungen wie der Klimawandel oder die Ressourcenknappheit fordern gerade im Bauen wirksame Antworten. Branchenübergreifendes Denken und Handeln wird immer wichtiger. Baustoffrecycling ist nur eine Antwort - mehr Veranstaltungen und Anregungen zum Thema gibt es auf der Webseite der Sonderschauen.

Autor: Tanja Pabelick

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